Endlich Urlaub …

Die einen haben ihren Urlaub noch vor sich, andere bereits hinter sich. Das „Urlaubsverhalten” ändert sich von Zeit zu Zeit. Es gibt Urlaubstrends in verschiedene Richtungen, abhängig natürlich auch von der finanziellen Leistbarkeit.

Urlaub bedeutet für viele nach wie vor, Hunderte von Kilometern mit dem Auto unterwegs zu sein. Man nimmt notgedrungen lange Staus in Kauf. Unsere Durchfahrtsstraßen sind im Sommer, aber auch an den verlängerten Wochenenden heillos überfordert. Da ist man dann schon lieber mit dem Flugzeug unterwegs.

Mitten im „Freizeitstress” Ferien suchen Menschen, die sonst im Laufe des Jahres kaum einmal in eine Kirche kommen, heilige Orte auf. Die Tourismus- Industrie hat das längst erkannt und sich der schönsten sakralen Bauwerke bemächtigt. Ist der Ansturm auf die „stillen Räume”, der Boom der religiösen und quasireligiösen Wellness-Oasen, gar ein Hinweis darauf, dass uns Gott abhanden gekommen ist, und dass die Leere des Alltags-Atheismus mehr als unzufrieden macht?

Der bekannte Wirtschaftsjournalist Rüdiger Vaas stellt in einem Aufsatz („Im Tumult der Stille”) fest: „Es ist ein bemerkenswertes Zeugnis der westlichen Gegenwart, dass heute ausgerechnet die Kirchen und Klöster als vorbildliche Oasen der Stille gelten und als solche aufgesucht und teilweise sogar vermarktet werden.”     

Ich wünsche Ihnen einen Urlaub ohne Stress, in dem Sie nicht ständig darauf achten müssen, ja nichts zu versäumen, nichts zu übersehen, nirgends zu kurz zu kommen, alle Möglichkeiten zu nutzen. Wir sollten nie zu Sklaven eines strengen Urlaubsprogrammes werden.

Die Seele nachkommen lassen …

In einer afrikanischen Erzählung wird von einer Expedition in das Innere des Landes berichtet, bei der die Eingeborenen in langen Kolonnen das Gepäck tragen. Weil es die Herren eilig haben, treiben sie die Eingeborenen zu immer schnellerem Marsch an. An einem Nachmittag aber setzen sich die Träger nieder. Kein Zureden, kein Befehlen oder Drohen kann sie veranlassen weiterzugehen. Als sie schließlich ein Dolmetscher nach dem Grund ihres Streikes befragt, erhält er die Antwort: „Wir müssen warten, bis unsere Seelen nachkommen.”

Wohin immer man fährt, was immer man unternimmt – man muss auch die Seele mitkommen oder nachkommen lassen.

Nur wenn die Seele mit dabei ist, werden wir im Urlaub auch Zeit finden für uns selber und für einander, Zeit für ein gutes Buch und Zeit für die vielen schönen Dinge, für die Kostbarkeiten im eigenen Leben. Und uns dankbar bewusst machen, was es bedeutet, gesund zu sein, liebe Menschen um sich zu haben und sich täglich an den gedeckten Tisch setzen zu können. Und wenn man zudem um den Arbeitsplatz nicht bangen muss.

In einem erholsamen Urlaub ohne Stress könnten wir erfahren, wie sehr wir mit unseren Sinnen erleben und kommunizieren. Wir sind in unserem Alltag so sehr von Technik und Zivilisation umgeben. Wir stehen ständig unter Erfolgsdruck. Alles in Arbeit und Beruf ist zweckgerichtet. Wir sind beansprucht vom Denken und Wollen. Für das Zweckfreie bleibt im Alltag wenig Zeit. Das zweckfreie Spielen ist – wenn überhaupt – Sache der Kinder. Dabei gehört das Spielen – genauso wie das Arbeiten – zur lebenslangen Selbstverwirklichung des Menschen. Und wer zudem seine Sinne „in Funktion setzt”, dem öffnet sich buchstäblich eine neue Welt: Die verschiedenen vielfältigen Farben und Formen, Geräusche, die man schon lange nicht mehr gehört hat, etwa das Gezwitscher der Vögel, das Zirpen der Grillen, die Bewegungen der Bäume und Sträucher im Wind. Und Gerüche, die um unsere Nase streichen: der Duft von gutem Essen und einem guten Glas Wein, der Duft von gemähtem Gras und geerntetem Getreide, der Duft von Pilzen, Obst und Gemüse, aber auch von abgefallenem Laub.

In einem Urlaub mit viel Zeit für sich werden wir Begegnungen und Gespräche interessant und bereichernd finden. Die Kontakte des Alltags sind oft flüchtig, oberflächlich, sie lassen kaum Zeit für ein Gespräch, in dem auch zugehört wird. Im Urlaub kann man auf andere Menschen eingehen, sie zu verstehen suchen, ihre Argumente ernst nehmen. Das gilt nicht nur für die Begegnung mit den Gastgebern und Einheimischen des Urlaubslandes. Das gilt auch für die Begegnung zwischen Eltern und Kindern.

Gott im Urlaub …

Und als Christen nehmen wir auch Gott mit in den Urlaub. Ob wir im Urlaub auch den Mut haben, uns als Christen zu zeigen, zu bekennen, zu „outen”?

Man will nicht auffallen, schon gar nicht als Christ, mit religiöser Praxis. Wir leben in einer Gesellschaft des Individualismus. Es geht doch niemanden etwas an, wie ich denke. Gerade im Urlaub ist das Leben absolut „privat”. Könnte es sein, dass in unserer Gesellschaft die Religion schon fast als eine zu verheimlichende, irgendwie unanständige Privatangelegenheit gilt? Man will für gut aussehend gelten, für sportlich, trinkfest. Man möchte ein guter Bergwanderer, ein kompetenter Kunstkenner, ein sicherer Autofahrer etc. sein. Aber man scheut sich, als Kirchgänger ertappt zu werden.

Dabei prägen die wunderschönen Kirchen, die Wallfahrtsorte und die mit viel Brauchtum und Andacht  gefeierten religiösen Feste zu einem beträchtlichen Teil unsere abendländische Kultur. Unser Glaube will sich auch ausdrücken dürfen. Und gerade die religiösen Festzeiten sind für unser „Erleben mit allen Sinnen” eine große Bereicherung.

Ich wünsche Ihnen für die Sommerzeit und darüber hinaus immer auch den Blick für das, was uns wirklich trägt. Für das Sich-Rundum-Wohlfühlen kann die bewusste Geborgenheit in Gott sehr viel beitragen.

Mit herzlichen Grüßen von der Schwazer Kolpingsfamilie!

 

P. Wolfhard Würmer OFM

Präses der Kolpingsfamilie Schwaz