Liebe Freunde in der Schwazer Kolpingsfamilie
Zu Weihnachten öffnet Gott uns seine Tür, damit wir im Stall von Bethlehem – vor der eigenen Weihnachtskrippe, im Weihnachtsgottesdienst – seine Menschwerdung feiern. Die Tage des Advents sind wie kleine Tore auf dem Weg dorthin. Sie öffnen sich nur nach und nach. Sie fordern uns auf, innezuhalten und nachzudenken, Sinn und Ziel des eigenen Lebens wieder einmal ganz bewusst ins Auge zu fassen.
Wir sollen vorbereitet sein, wenn wir zu Weihnachten die uns schon von Gott her geöffnete Tür zur Krippe durchschreiten. Sonst laufen wir Gefahr, das Entscheidende zu übersehen: das Leben selbst. Die Äußerlichkeiten können uns in weihnachtliche
Stimmung bringen. Doch die Ankunft Gottes kann nur in uns selber geschehen.
Advent – Zeit des Wartens
Die Bibel berichtet uns von Menschen, die über Jahrhunderte auf die Ankunft des verheißenen Messias gewartet haben. In den letzten Jahrzehnten verdichten sich die Ereignisse, die immer deutlicher auf das bevorstehende Kommen des Messias
hinweisen. Das seltsame Auftreten eines Predigers in der Wüste, der auf den Kommenden hinweist. Einem kleinen Mädchen vom Land tut ein Engel kund, dass sie auserkoren sei, die leibliche Mutter des Messias zu werden.
Und doch trifft die Menschen das Weihnachtsereignis dann völlig unvorbereitet. Für das neugeborene Kind gibt es nicht einmal eine Herberge. Und mit dem Bekanntwerden der göttlichen Geburt kommen nicht nur die Hirten von den Feldern, nicht nur vornehme Weise aus dem Morgenland, um zu schauen und um anzubeten. Dem neugeborenen Kind und seinen Eltern bläst von Anfang an ein starker Wind von Anfeindung ins Gesicht.
Warten im Advent
Hat das „Warten im Advent” nicht seine Spannung verloren? Sind wir noch Wartende oder feiern wir im Advent und an Weihnachten lediglich ein Fest, das mit viel Drumherum zu Herzen gehen will, das Kinderaugen zum Leuchten bringen kann, wenn
wir vom Geschenke bringenden Christkind erzählen, ein Fest, das wie kein anderes Fest mit Brauchtum und Folklore angereichert ist?
Das „Warten im Advent” hat seinen Grund im Glauben an diesen Jesus Christus, der bereits unter uns gelebt und uns verheißen hat, dass Er immer bei uns ist – wo wir uns in seinem Namen versammeln, wenn wir miteinander beten und Gottesdienst feiern – und dass wir ihm leibhaft begegnen können in den Armen und Notleidenden.
Das „Warten im Advent” hat seinen Grund im Wissen, dass Er immer wieder in mein Leben tritt – einmal ganz unübersehbar in der Stunde meines Sterbens. Vielleicht nach einer langen unheilbaren Krankheit, wenn der Tod als Erlösung empfunden wird, oder auch völlig unerwartet. Es ist auf jeden Fall gut und vernünftig, auf das Kommen Gottes vorbereitet zu sein.
Das „Warten im Advent” hat seinen Grund schließlich im Glauben an die Wiederkunft Jesu Christi. So wie es jetzt ist, wird es nicht immer weitergehen. Unsere Welt wird einmal umgewandelt werden in eine „neue Erde und in einen neuen Himmel”, wie es in
der Bibel heißt.
Weihnachten
An Weihnachten feiern wir den Geburtstag Jesu Christi und gewissermaßen auch unseren eigenen Geburtstag.
An Weihnachten kommt Gott auf uns zu – in menschlicher Gestalt, im Kind im Stall von Bethlehem. Weihnachten hat mit Stallgeruch von Bethlehem zu tun und später mit dem Todesschweiß von Kalvaria.
Weihnachten ist deshalb ein sehr nüchternes Fest: Gott hat sich für uns entschieden, damit auch wir uns für IHN entscheiden.
In Bethlehem werden die Menschen auch heuer wieder Weihnachten feiern. Mit Tausenden von Pilgern aus der ganzen Welt. In einer Stadt, in der schwerbewaffnete Soldaten das Stadtbild prägen. In einer Stadt, in der man – auch heute wieder – dem göttlichen Kind und seiner Botschaft vom Frieden jede Art von Herberge verweigert. Die politische Situation im sogenannten Heiligen Land, in der Palästinenser und Israelis nicht Hände zum Frieden reichen, sondern Raketen und Gewehre aufeinander richten, macht mich unendlich traurig. In Bethlehem leben Franziskaner, die sich ständig in Lebensgefahr begeben, wenn sie Notleidenden zu Hilfe kommen und ein wenig Licht bringen.
Ich bin davon überzeugt, dass Christus dort geboren wird, und nur dort, wo Menschen beginnen und immer wieder beginnen, mitmenschlich zu leben und zu handeln, und so beginnen, ein Stück Welt – und sei es auch noch so klein – zu verwandeln.
Sonst können wir 2012mal Advent und Weihnachten feiern und wir bleiben die Alten – oberflächlich, ohne Tiefgang, dem Tagesgeschehen verfallen, ständig hinter dem herlaufend, was gerade gängig und groß in Mode ist, ohne Ausrichtung auf das, was letztlich wichtig und von Bedeutung ist, glaubensleer und gottleer – und die Welt bleibt, wie sie nicht bleiben sollte.
Aufstrahlen möge das Licht aus der Höhe und hineinstrahlen in die Dämmerungen des Alltags und unseres Lebens.
Weihnachten hat eine wichtige Botschaft …
Es ist die Botschaft vom Frieden. Es ist die Rede von einem Frieden, den nur Gott geben kann, von einem Frieden, der einem entgegenstrahlt aus den Augen eines wehrlosen und hilflosen Kindes, des göttlichen Kindes von Bethlehem.
Es ist die Botschaft von einer ungeheuren Aufwertung des Menschen und des Menschseins. Gott wird Mensch, um als Mensch – auf Augenhöhe mit uns Menschen – an unserer Seite zu sein. Gott will uns Menschen in allem, was menschlich und so oft auch unmenschlich ist, nahe sein. Nicht ein großer Weltherrscher, sondern ein Kind in der Krippe wird den Lauf der Welt entscheidend verändern. Denn dieses Kind sollte, am Kreuz leidend und qualvoll sterbend, den Tod, den letzten und größten Feind der Menschheit, überwinden. Der Tod ist nun nicht mehr das Letzte. Das Leben siegt und damit entsteht Hoffnung für alle Menschen, Hoffnung auf ein letztendlich gelingendes und sinnerfülltes Leben.
Dem Kind von Bethlehem dürfen wir ohne Vorbedingungen und ohne Vorleistungen begegnen. Wir brauchen auch nichts mitzubringen, nur uns selber – mit Licht und Schatten. Wir dürfen sein, wie wir sind und als Menschen sein können.
Ich wünsche euch allen ein frohes und gesegnetes Weihnachtsfest! Begegnen wir der Botschaft von Weihnachten mit einem offenen Herzen, und manches wird anders, auch in unserem Leben. Vielleicht müssen wir uns bücken, um dem kleinen Kind von Bethlehem in die Augen schauen zu können.
Herzlichst euer Präses P. Wolfhard