Liebe Freunde in der Schwazer Kolpingsfamilie!
Wir leben in einer Gesellschaft, die total vom Wissen geprägt ist. Wie viele Millionen Daten sind im Internet abrufbar. Wie viel wird geforscht, wie oft werden Umfragen gestartet, wie viele Bücher werden alljährlich veröffentlicht – alles, um ständig neue Informationen zu sammeln, um immer mehr zu wissen. Es gibt in uns Menschen geradezu eine Sucht, immer mehr in Erfahrung zu bringen, auch noch die letzten Dinge dieser Welt zu erforschen: die letzten Dinge über den Menschen und das menschliche Leben, die letzten Dinge über Welt und Weltall, die letzten Wahrheiten über die Baustoffe der Welt und des Lebens.

Wir leben in einer Bildungsgesellschaft …
Die Bildung ist politisch der große Renner. Was meint Bildung? Eine gute Ausbildung – mit viel Allgemeinwissen, mit viel Sach- und Fachwissen?
Das Ziel von Bildung – identisch mit Ausbildung – ist zunächst das Erzeugen von Qualifikationen für wirtschaftliche, technische oder auch gesellschaftliche Kompetenz. Schulen und Hochschulen, vor allem die immer mehr und immer spezialisierter werdenden Fachhochschulen, sind oft nur noch Stätten einer Ausbildung von Fertigkeiten, von technisch verwertbarem Wissen.
Seit Jahren wird in unserer Bildungspolitik um Bildung und Ausbildung diskutiert. Da stehen seit langer Zeit Positionen gegen Positionen. Anlässlich nicht optimaler PISAErgebnisse erhitzen sich erneut die Gemüter über Bildung, Bildungssysteme und Formen der Ausbildung.
Die einen fordern eine gemeinsame Schule aller 10- bis 14-Jährigen mit einer ganztägigen Betreuung und einer gut strukturierten Leistungsdifferenzierung. Ein solches Schulsystem soll den individuellen Begabungen und den zeitlichen Entwicklungsverläufen der Kinder gerecht werden. Das Ziel ist eine chancengleiche Bildung und eine effiziente Vorbereitung für das Berufsleben.
Andere haben Angst um den Weiterbestand der traditionellen Allgemeinbildenden Höheren Schule (AHS). Vor einiger Zeit hörte man sogar den Ruf nach  Abschaffung der Matura.
Die einen wünschen sich, dass die Kinder möglichst viele Jahre ihrer Kindheit bei der Mutter verbringen dürfen. Die moderne Hirnforschung plädiert sehr stark dafür.
Andere – das liegt im Trend unserer Gesellschaft – fordern immer mehr Betreuungsplätze und kompetentes Betreuungspersonal für immer jüngere Kinder.
Da passiert eine Entwurzelung, die nicht ideal sein kann. Die sogenannte „wertfreie Erziehung” liegt heute ebenso im Trend.

Das Bildungsideal nach Adolph Kolping …
Adolph Kolping schreibt in seinem Traktat über Bildung: „Bilden heißt gestalten, formen, ausprägen, und je schärfer und vollkommener das geschieht, umso richtiger und wirklicher schreitet Bildung vorwärts … Das Bild und Gleichnis Gottes im Menschen, was so recht eigentlich sein Wesen konstituiert und bedeutsam angibt, soll durch Bildung zur Ähnlichkeit mit Gott weitergeführt, schärfer, bestimmter ausgeprägt, ja bis zu jener Vollendung emporgehoben werden, die das Bild dem Urbilde gegenüber nur erreichen kann.”
Wenn Wissen und die Ergebnisse der Wissenschaft nur noch der Erleichterung und Sicherung materiellen Lebens dienen, wird Lernen orientierungslos, dann fallen Lernen und Bildung auseinander.
Bildung will nicht nur spezielles menschliches Können vermitteln. Bildung ist vielmehr eine Herausforderung für den ganzen Menschen, den Menschen mit all seinen geistigen und physischen Fähigkeiten und Talenten, den Menschen in seinem Bestreben, sich selber zu verwirklichen, den Menschen in seinem Hingeordnet-Sein auf Gott. „Vollkommenheit ist das höchste unerreichbare Ziel des Menschen; Vervollkommnung ins Unendliche aber ist seine Bestimmung” sagt Johann Gottlieb Fichte (gest. 1814). Und Adolph Kolping sagt: „Werdet vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist; das ist die göttliche Grundregel aller wahren Bildung.”

Herzensbildung …
Bildung betrifft den den Menschen mit Leib und Seele. Es braucht neben der Wissensbildung auch eine gute Herzensbildung.
Das Wissen um mich selbst und die Welt um mich herum, Lebenswissen, existenzielles Wissen ist nicht nur intellektuelles Wissen. Lernen und Arbeiten allein sind zu wenig. Beten, Lernen und Arbeiten – um in den Worten Adolph Kolpings zu reden – machen wahre Bildung aus.

Bildung nach dem Bilde Gottes …
Wir sind geschaffen nach dem Bilde Gottes. Und als Abbild sollen wir dem Urbild ähnlich werden. Jesus sagt von sich: Wer mich sieht, sieht den Vater (vgl. Joh 14, 9).
In Jesus verkörpert sich das ewige Bild Gottes. Paulus will Christus ähnlich werden, ein „anderer Christus” werden. Der heilige Franz von Assisi sieht die dem Menschen zumutbare Form von Bildung im Bemühen, Christus ähnlich werden. Franziskus will in seinem Leben an Christus erinnern.

Das Bildungsideal schlechthin …
ist also der „Mensch nach Gottes Bild und Gleichnis”.
Selbstverständlich sind wir an einer guten und offenen Bildung interessiert. Unser Bildungsideal verlangt Weite – weit über den eigenen Teller hinaus – und Toleranz: Viele verschiedene Meinungen und Standpunkte kennen lernen, um darüber diskutieren zu können und um respektvoll damit umzugehen. Man muss erst einen eigenen Standpunkt haben und den eigenen religiösen und kulturellen Hintergrund immer wieder neu kennen lernen, um sich anderen Standpunkten und Lebensansichten öffnen zu können. Heute wird ein lebenslanges Lernen verlangt. Man lernt nie aus, man lernt immer wieder Neues kennen und respektieren.

An Christus erinnern …
Als Christen mit einer guten Bildung sollten wir – wo immer wir auftreten – an Christus erinnern. Das Grundbuch einer christlichen Bildung ist unsere Bibel.
Ich schlage vor, dass wir in der Fastenzeit wieder öfters zur Bibel greifen, um sie wieder neu zu entdecken. Die Bibel ist die Geschichte Gottes mit den Menschen in den verschiedensten menschlichen Situationen. Die Bibel ist das geschriebene Wort Gottes – freilich in einer oft recht zeitbedingten Sprache und in Bildern, die nicht immer leicht verständlich sind. Die Bibel ist geprägt durch das österliche Wasserzeichen vom Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi.

Eine gesegnete Osterzeit und ein frohes TREU KOLPING!
Euer Präses P. Wolfhard