Liebe Freunde in der Schwazer Kolpingsfamilie!

Nach einem heißen und doch nicht allzu trockenen Sommer und den wunderschönen Herbsttagen – Herz, was willst du mehr? – schickt der Winter seine ersten Boten.

Die Tage sind bereits merklich kürzer und die Nächte länger. Die Bäume, die Vögel und die Tiere in unseren Wäldern haben bereits auf die Winterzeit umgestellt.

Das neue Kirchenjahr beginnt mit dem Advent

Der Advent ist biblisch gesehen die Zeit der kleinen Leute. Es ist die Zeit der blutjungen Mutter, die ihr Kind durch die steinigen Hügel von Judäa trägt. Es ist die Zeit des Johannes, der kaum erwachsen aus der Wüste an den Jordan tritt und mit flammenden Worten die Menschen zur Umkehr drängt.

Was haben wir aus dem Advent und aus der Weihnachtszeit gemacht? Eine Zeit der Umsatzsteigerungen im Weihnachtsgeschäft und im Tourismus, eine Zeit der lauten Christkindlmärkte, eine Zeit der Hektik und kindlicher Gefühlsduseleien.

Johannes kommt aus der Wüste. Die Wüste spielt in der Geschichte der Menschwerdung Jesu eine größere Rolle als der Tempel oder der Regierungspalast in Jerusalem.

Die Wüste ist karg. Die Natur beschränkt sich auf das absolut Notwendige. Die Wüste ist ein Ort der Extreme. In der Wüste kann man es sich nicht bequem machen. Sie fordert heraus – zum Kampf ums Überleben. Ist Johannes etwa zu gleicher Zeit in der Wüste wie Jesus, ohne dass sie einander begegnet sind? Möglich wäre es.

Was Johannes den Menschen sagt, ist unbequem und kompromisslos. Sein Reden ist kantig wie die Felsen in der Wüste, manchmal stachelig wie ein Dornbusch.

Die Botschaft des Advents …

Johannes sagt: Bereitet dem Herrn den Weg! Ebnet ihm die Straßen! Jede Schlucht soll aufgefüllt werden, jeder Berg und Hügel sich senken. Was krumm ist soll gerade werden!

Was heißt das? Wer zwei Gewänder hat, der gebe eines davon dem, der keines hat, und wer zu essen hat, der handle ebenso! Wer ein Dach über dem Kopf hat, teile es mit dem, der keines hat!

Es ist gut und sinnvoll, wenn wir für unsere Lieben Weihnachtsgeschenke besorgen, wenn wir uns um einen schönen Christbaum bemühen. Es ist eine gute christliche Tradition, wenn wir die Weihnachtskrippe aufstellen und am Heiligen Abend die Christmette besuchen.

Dem Herrn den Weg bereiten bedeutet aber viel mehr: Gräben der Ungleichheit und Ungerechtigkeit aufschütten, Versöhnung ermöglichen und dabei den ersten Schritt tun, Heimatlosen Heimat geben, sich öffnen auch für Fremdes und für Fremde.

Der Advent führt uns hin zum Ereignis der Geburt Jesu Christi in Bethlehem …

Bethlehem war damals ein großes Auffanglager für die vielen Fremden, für Menschen von überall her, die bei der von Rom angeordneten Volkszählung in

Bethlehem ihre Stimme abgeben mussten. Da wird auch viel Gesindel dabei gewesen sein. Kein Wunder, dass man da für zwei wildfremde Leute aus Nazareth keinen Platz mehr zur Verfügung hat. Eine Frau, der man es ansieht, dass sie hochschwanger ist, schickt man lieber weiter. Man will keine zusätzlichen Scherereien.

In Israel hat man nach wie vor das Problem mit den Fremden. Man gönnt ihnen kein Land und macht ihnen das Leben und Überleben schwer. Man schützt sich mit Mauern, die zusätzlich Ungerechtigkeiten und Leid schaffen. Natürlich mag im Hintergrund eine große Angst eine Rolle zu spielen.

Die Angst vor dem Fremden macht blind, die Begegnung mit ihm macht offen und neugierig …

Ich verstehe die Ängste vieler Menschen vor den nicht mehr absehbaren Flüchtlingsströmen aus den Krisengebieten dieser Welt. Menschen fliehen, weil ihnen in ihrer Heimat jede Chance auf ein Überleben genommen ist. Viele haben ihre Flucht nach Europa mit dem Leben bezahlen müssen.

Nun baut man mitten in Europa Zäune und zieht neue Grenzen hoch. Damit hat man das Problem sozusagen „ausgegrenzt”.

Die Bibel berichtet uns immer wieder von ähnlichen Situationen, in denen Menschen heillos überfordert waren.

Ich erinnere an die unübersehbare Menschenmenge ohne Brot. Und Jesus zu den Aposteln: Gebt ihr ihnen zu essen! Grenzt niemanden aus! Tut, was ihr tun könnt!

Ich denke an die biblische Geschichte der Emmausjünger. Zwei Jünger gehen nach Jesu Tod geradezu traumatisiert von Jerusalem nach Emmaus. Das Unternehmen „Jesus” scheint vorbei zu sein, die Weggemeinschaft mit ihm zu Ende. Unterwegs gesellt sich zu ihnen ein Fremder. Sie kommen allmählich mit ihm ins Gespräch. Am Ziel ihrer Wanderung – es ist schon dunkel und Nacht – bringen sie es nicht übers Herz, ihn allein weitergehen zu lassen. Sie laden ihn ein, die Nacht in ihrem Haus zu verbringen, mit ihnen zu essen und zu trinken. Aus der anfänglichen Scheu wird eine Begegnung mit einem Fremden. Die Begegnung mit dem Fremden macht sie neugierig. Aus der Weggemeinschaft wird eine Erzählgemeinschaft.

Österreich hat in der Betreuung von Flüchtlingen eine große Erfahrung. 1956 kamen etwa 200.000 Ungarn über die Grenze nach Österreich. Nach der Niederschlagung des sogenannten „Prager Frühlings” im Jahre 1968 kamen wieder so viele Flüchtlinge nach Österreich. Ich denke aber auch an die vielen Flüchtlinge während der Jugoslawienkriege. Das Land Österreich hat in all diesen Jahren Ungeheures geleistet. Und immer sind auch Menschen bei uns geblieben, die uns viel gebracht haben.

Ich wünsche uns eine gute Zeit, in der wir – über Weihnachten hinaus – dem Herrn Wege bereiten, in der wir unsere Herzen öffnen für Neues und auch Fremdes, und in der wir im Umgang mit den Menschen, die alles verloren haben, tun, was wir tun können. Wir können nicht alles tun, was notwendig wäre. Dazu braucht es letztlich die Solidarität aller in Europa, denen es gut geht.

Wir wollen dem Herrn Wege bereiten, indem wir Augen und Hände, aber vor allem unser Herz öffnen für einsame und Hilfe suchende Menschen.

Ich wünsche euch und euren Familien ein gesegnetes Weihnachtsfest und ein gutes, gesundes und gottbehütetes Jahr 2016.

TREU KOLPING!

Euer Präses P. Wolfhard