Liebe Freunde in der Schwazer Kolpingsfamilie!
Der Fasching ist vorbei. Auf den Fasching folgt eine Zeit der Besinnung, der Einkehr und der Umkehr. Es geht darum, dass wir unser Leben wieder neu auf Gott hin ausrichten.
Am Aschermittwoch haben wir das Aschenkreuz empfangen mit dem Hinweis: Gedenke, Mensch, dass du Staub bist und wieder zum Staube zurückkehrst. Dieses Wort ist geeignet, uns auf den Boden unserer armseligen Realität zurückzuholen. Was sind wir denn wirklich? Ein Geschöpf, dem es bestimmt ist, einige Jahrzehnte zu leben und dann zu sterben, unabhängig von Ansehen und Besitz und Macht.
Es beginnt die Fastenzeit, die Österliche Bußzeit – mit dem Ziel Ostern. An Ostern feiern wir das Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi. An Ostern feiern wir, dass wir hineingetauft sind in das Leiden, Sterben und Auferstehen Jesu Christi.
Vierzig Tage sind es bis Ostern, genau die Zeitspanne, die Jesus fastend in der Wüste verbracht hat. „Die ganze Zeit über aß er nichts.” heißt es in der Bibel. Es war ein radikales Fasten – nicht zum Abmagern, sondern als eine intensive Zeit mit Gott und bei Gott.
Papst Franziskus hat uns ein wichtiges Thema vorgegeben …
Was wäre als „Fasten-Vorsatz” geeigneter als der Wille zu mehr Barmherzigkeit. Unser Papst hat zu einem „Jahr der Barmherzigkeit” eingeladen. Zugleich will er die Freude am barmherzigen Gott in die Mitte des menschlichen Lebens stellen.
Papst Franziskus ist ein großer Sympathieträger. Die Menschen mögen ihn, auch viele, die mit Kirche und Christentum nichts am Hut haben. In seiner schlichten und direkten Art, wie er auf Menschen zugeht, macht er deutlich, dass ihm die Menschen das wichtigste Anliegen sind. Sein Programm lautet: „Die Liebe Gottes muss durch uns Christen hinaus zu den Menschen gehen – bis an die äußerste Peripherie.”
Der Begriff Barmherzigkeit …
setzt sich zusammen aus den zwei Wörtern Herz und Erbarmen. Das ganze Gewicht liegt auf dem Wortteil „Herz”. Es geht um ein Herz, das wahrnimmt, das sensibel ist, das mitfühlt und mitdenkt. Es geht um ein Herz, das Erbarmen hat, das sich berühren lässt. Die schwerste Sünde, in die wir fallen können, ist die Gleichgültigkeit, die einfach wegschaut, die nicht mehr wahrnimmt oder wahr haben will, was sich um uns herum tut.
Braucht es heute noch Barmherzigkeit?
Für viele Menschen klingt das Wort „Barmherzigkeit” altmodisch. Es hatte seine Aktualität in einer eher patriarchalischen Gesellschaftsstruktur, in der die Menschen in starker Abhängigkeit voneinander lebten und ständig als Bittsteller auftraten. Da war es wichtig, Barmherzigkeit einzumahnen im Umgang miteinander, im Umgang der Eltern mit ihren Kindern, der Erzieher mit den Jugendlichen, der Jungen mit den Alten, der Behörden und Beamten mit den verschiedenen Bittstellern.
Aber heute? Wir sind uns unserer Rechte durchaus bewusst und wir fordern sie auch ein. Alle Menschen sind einander gleichwertig. Da gibt es kein natürliches Über- und Untereinander mehr. Wir beschreiben heute den Begriff der Autorität anders als wir das noch vor fünfzig Jahren getan haben. Wir respektieren nur noch die Sachautorität, die höhere berufliche Kompetenz, das größere Sachwissen.
Wir halten es nicht mehr für notwendig, dass wir ständig als Bittsteller auftreten und uns bemühen, die Vertreter der Ämter und Behörden wohlwollend zu stimmen. Wir lassen es uns nicht mehr gefallen, von oben her behandelt zu werden. Wir reagieren allergisch auf Gefälligkeiten, die uns mit Herablassung erwiesen werden. Wir erwarten, dass uns gegeben wird, was uns zusteht, und wofür wir vielleicht sogar bezahlen.
Aber braucht der Mensch nicht wesentlich mehr als Gerechtigkeit, als das, was ihm von Natur oder vom Gesetze her ohnedies zusteht? Braucht nicht der Mensch Tag für Tag Wohlwollen, Zuwendung, Liebe, Vergebung? Das alles aber sind Dinge, die man nicht ohne Weiteres einfordern kann. Der Mensch ist vielmehr darauf angewiesen, dass ihm diese Dinge von Mitmenschen geschenkt werden. Das heißt: Wir sind von unserem Wesen her auf Barmherzigkeit hin angelegt. Das ist die Wahrheit. Diese Wahrheit macht, wenn man sie akzeptiert, bescheiden und demütig.
Wir wollen unabhängig sein. Es braucht uns niemand etwas zu schenken. Um Geld bekommt man ohnedies alles. Wir wollen unsere Probleme selber lösen. Wir schaffen das schon, ohne auf fremde Hilfe angewiesen zu sein.
Eine uralte Versuchung …
Sie begegnet uns schon auf den ersten Seiten der Bibel in der Sündenfall-Geschichte. Die ersten Menschen hatten im Paradiese alles, was ein glückliches Leben ausmacht. Aber man wollte wissen, ob dieses Glück nicht auch ohne Gott zu haben ist. Man wollte sich sein Leben selber gestalten. Man wollte sein wie Gott. Doch die Folgen waren fatal.
Die Menschen merkten plötzlich, dass sie nackt waren. Es fehlte ihnen nun das, was ihnen Halt und Würde gegeben hatte. Sie lebten plötzlich in einer Welt ohne Gott, in einer „gott-losen” Welt. Vorbei war es mit der eigenen Identität: Statt Schuld einzugestehen, wird sie abgeschoben. Bald kommt es zu Mord und Totschlag.
Die Sündenfall-Geschichte macht deutlich, wohin es führt, wenn der Mensch sein Angewiesen-Sein auf Güte, Liebe und Barmherzigkeit nicht akzeptiert. Im selben Maße wird er selber unfähig, barmherzig, d. h. einfühlsam, sensibel, mitfühlend und mitleidend zu sein. Die Folgen liegen auf der Hand.
Jesus, der barmherzige Gott …
Ein Wort in den Evangelien, das mich selber immer sehr bewegt: „Als Jesus die vielen Menschen sah, hatte Er Mitleid mit ihnen, denn sie waren müde und erschöpft wie Schafe, die keinen Hirten haben” (Mt 9,36).
Jesus spürt, dass Ihn die Menschen brauchen. Jesus weiß, dass man als Mensch verloren ist, wenn man niemanden mehr hat, der sich annimmt, der mitfühlt und mitsorgt. So wie es um die Schafe schlecht bestellt ist, wenn ihnen der Hirte abhanden kommt.
Jesus verkündet einen Gott, bei dem wir angenommen sind, wie wir sind und wie wir sein können. Jesus verkündet einen Gott, der mit uns auf dem Weg ist, in den Höhen und Tiefen unseres Lebens, in allen Lebenslagen, in den Situationen des Gelingens, des Erfolges wie auch des Scheiterns.
Die Pharisäer, die sich selber für überaus gerecht und fromm hielten und nichts lieber taten, als Opfer darzubringen, mussten sich von Jesus sagen lassen: „Barmherzigkeit will ich, nicht Opfer!”
Und Jesus will, dass wir als Menschen in unserer oft recht krassen Verschiedenheit barmherzig miteinander umgehen. Das bedeutet: Dass wir umeinander wissen, dass wir einander begegnen, einander akzeptieren. Dass wir auch Menschen akzeptieren, die uns völlig fremd erscheinen, weil sie eine andere Hautfarbe haben, weil sie anders leben als wir, anders denken, anders glauben. Das bedeutet, dass wir Menschen aufeinander zugehen, aufeinander schauen, aufeinander hören. Das bedeutet, dass wir füreinander Verständnis haben und immer wieder einander verzeihen. Niemand von uns muss fehlerfrei sein.
Das Gebot der Barmherzigkeit nimmt unser ganzes Leben in Anspruch: „Seid barmherzig, wie es auch euer Vater im Himmel ist!” (Lk 6, 36).
Bei Adolph Kolping finde ich das Wort, das ich sinngemäß zitiere: „Weil Gott so barmherzig ist, sollen es auch wir an Barmherzigkeit nicht fehlen lassen!”
Eine gesegnete Zeit und ein frohes TREU KOLPING!
Euer Präses P. Wolfhard