ADVENT UND WEIHNACHTEN 2016

Advent …

Der Advent erinnert uns an die Jahrhunderte, in denen das Volk Israel auf seinen Messias wartete. Für uns sollte der Advent die Zeit der inneren Einstimmung und Vorbereitung auf das große Fest der Geburt Jesu Christi sein. Ich denke an die Rorate-Gottesdienste am frühen Morgen. Sie schaffen so etwas wie vorweihnachtliche Stimmung.

Was geschah an Weihnachten?

Die Umstände für die Menschwerdung Jesu sind alles eher als ideal. Maria und Josef müssen von Nazareth nach Bethlehem, weil ein kaiserlicher Erlass sie dazu zwingt, sich just in Bethlehem in die staatlichen Zähl- und Steuerlisten eintragen zu lassen. Für eine junge schwangere Frau ist das mehr als eine Zumutung. Und als die Wehen einsetzen, gibt es keinen Platz mehr in den offiziellen Notunterkünften. Nur noch in einem Viehstall findet man ein schützendes Dach und eine notdürftige Bleibe. Unsere Weihnachtskrippen lassen ja kaum etwas ahnen von diesen existenziellen Sorgen junger Menschen in der Fremde, in der sie nicht wirklich willkommen sind.

Haben sie wenigstens das Nötigste mit, damit die junge Frau ohne Hebamme entbinden kann? Die ersten, die es merken, dass da etwas Besonderes im Gange ist, sind die Hirten auf den Feldern. Diese Hirten sind alles eher als fromme Leute. Ihre berufliche Tätigkeit hat sie zu rauen, oft recht derben Gesellen verkommen lassen. Engel sind ihnen erschienen und haben ihnen für etwas völlig Außergewöhnliches die Augen geöffnet.

Mit der Geburt des Kindes, in der noch alles gut gegangen ist, fangen die eigentlichen Probleme erst an. Es dauert nicht lange und sie müssen das Land verlassen, fliehen in ein Land, in der sie vor den Schergen eines Königs Herodes, der das Kind töten will, sicher sind. Eine Flucht, verbunden mit großen Gefahren, ohne rosige Perspektiven. Und sie kommen in ein Land mit ganz anderen Menschen, die anders leben und sich in ihrer Fremdenfeindlichkeit Gedanken machen, die Flüchtlinge bald wieder loszuwerden. Werden sie ein Notquartier finden? Sie müssen die Sprache lernen, um eine Chance zu bekommen, arbeiten zu dürfen. Werden sie je wieder heimkehren können?

Weihnachtsstimmung …

Wenn man an all das denkt, mag einem jede Feierstimmung vergehen. Doch die üblichen Weihnachtsfeiern, Weihnachtsbasare und Christkindlmärkte mit heißem Glühwein und feinem Gebäck gehören in diese Zeit. Im Vorfeld von Weihnachten kommt noch der heilige Nikolaus auf Besuch, um die Kinder mit Geschenken zu überschütten. Und dann werden die Weihnachtskrippen aufgestellt, die oft kaum etwas wiedergeben von der Dramatik der damaligen Ereignisse.

Die Weihnachtsbotschaft …

Sie wird zum ersten Mal von einem Engel verkündet: „Fürchtet euch nicht, denn ich verkünde euch eine große Freude, die dem ganzen Volk zuteil werden soll: Heute ist euch in der Stadt Davids der Retter geboren; Er ist der Messias, der Herr.” Und die Reaktion der Hirten: „Kommt, lasst uns nach Bethlehem gehen und sehen, was dort geschehen ist!”

Diese Einladung bleibt. Sie gilt jeder einzelnen und jedem einzelnen von uns. Sie gilt auch heute und wird auch morgen noch ihre Geltung haben.

Was entdecken wir in Bethlehem? Gott ist Mensch geworden und hat als kleines wehrloses Kind unsere oft so unmenschliche Welt als Kind-Bett gewählt.

„Mach dich nicht geheim, willst du wertgeachtet sein” lautet ein altes Sprichwort. Das bedeutet: Man soll aus Gründen der Selbstachtung Abstand, Distanz halten zu denen, deren Lebensweise man nicht teilt, nicht teilen mag, nicht teilen kann.

Der allheilige und allmächtige Gott bliebe in seiner Gottheit geschützt, wenn Er zu uns Menschen gebührend Abstand, Distanz hielte. Gott sollte sich nicht mit unserem Menschsein schmutzig machen.

Doch Weihnachten läuft anders …

„Zeige mir, mit wem du umgehst, und ich sage dir, wer du bist!” Ein bemerkenswerter Satz, wenn man ihn zusammen mit der Weihnachtsbotschaft liest.

An Weihnachten zeigt Gott, wer Er wirklich ist: Nicht eine in sich vollkommene, eher einsame, weltabgewandte, distanzierte unendliche Größe. Kein alles kontrollierender, die Welt ständig umkreisender Satellit. Nicht jenes unheimliche „Auge, das alles sieht, auch was in tiefster Nacht geschieht”. Gott taucht selbst ein in diese Nacht, Gott macht sich berührbar, beschmutzbar, verletzbar – und bleibt doch Gott. Gott geht in äußerste Distanz zu sich selber – bis hinein in einen stinkenden Stall für Tiere, bis ans Kreuz, an das menschlicher Hass ihn nageln wird.

Gott ist kein Gott zum Fürchten. Gott hat sich „gemein gemacht”. Gott hat sich erniedrigt – bis wir Ihm in Augenhöhe zu begegnen vermögen. Aus dieser Erniedrigung erahnen wir, was wir Gott wert sind.

Weihnachtsgeschenke …

Unser Weihnachten-Feiern läuft so oft hinaus auf Schenken und Beschenkt Werden. Ist das der Höhepunkt des Weihnachtsfestes?

Auch wenn wir – wenigstens in unseren Breitengraden – alles haben und uns alles, was irgendwie reizt, auch leisten können. Ein Wunschzettel, der nichts zu wünschen übrig lässt und den ich mir Wunsch für Wunsch erfüllen kann, bringt mich – so eigenartig das auch sein mag – nicht an das Ziel meiner Wünsche. Er führt mich so oft in eine nachweihnachtliche, manchmal geradezu depressive Gemütsstimmung, nicht wirklich zufrieden zu sein, obwohl mir doch alle Wünsche erfüllt worden sind.

Weihnachtliche Freude stelle ich mir anders vor. Weihnachtsfriede und weihnachtliche Zufriedenheit sehen anders aus.

Festesfreude und wohlige Zufriedenheit stellen sich erst ein, wenn wir an Weihnachten Gott bei uns ankommen lassen, in unseren Familien, in unseren Herzen. Öffnen wir uns für das Geheimnis des Festes. Gott möchte bei uns ankommen. Gott möchte bei uns sein. Gott möchte, dass wir Ihn bewusst aufnehmen. Gott möchte, dass Er bei uns sein darf.

Gottlosigkeit hat keine Zukunft. Brechen wir aus der „Gottvergessenheit” unserer Tage aus! Wir beschenken unsere Kinder. Doch nichts verliert so schnell seinen Glanz wie materielle Geschenke. Wir träumen von leuchtenden Kinderaugen. Doch dieses Leuchten ist so kurzlebig.

Wie ergreifend ist die Weihnachtsbotschaft. Wie erfüllend ein schöner Weihnachtsgottesdienst, das gemeinsame Beten und Singen und Musizieren in der Familie. Nur das innere Erleben, dass Gott mitten unter uns ist, schafft jene weihnachtliche Stimmung, die nachhaltig zufrieden macht.

Ich wünsche euch, dass ihr gerade das zutiefst erleben dürft.
Euer Präses P. Wolfhard Würmer ofm