Die Fastenzeit – Bedeutet sie uns etwas? – geht in die Zielgerade hin auf Ostern. In der Karwoche gedenken wir des Leidens und Sterbens Jesu Christi. Jesus wird von einem Jünger verraten, er wird gefangen genommen, angeklagt und zum Tod verurteilt. Er wird dann – mit den grausamsten Methoden und Möglichkeiten der damaligen Zeit – zu Tode gefoltert. Aber an Ostern feiern wir dann die Auferstehung Jesu, den Sieg Jesu über seinen Tod. Jesus ist stärker als der Tod. Jesus ist ein anderer Name für Leben.

Fasten …

Die Fastenzeit vor Ostern dauert vierzig Tage. Mit Fasten meint man schon lange nicht mehr nur ein „Weniger Essen” oder „Weniger Trinken”. Das Fasten kann man auch auf andere Lebensbereiche ausdehnen, zum Beispiel auf den Umgang mit dem Fernsehen, mit dem Smartphone und anderen digitalen Geräten. Die „Aktion Autofasten” der katholischen und evangelischen Kirche, an der bis heute etwa 16.000 Menschen teilgenommen haben, lädt seit vielen Jahren in der Fastenzeit dazu ein, auf allzu selbstverständlich erlebten Wohlstand bewusst zu verzichten.

In unserer modernen Konsumgesellschaft wird das menschliche Verlangen nach immer Mehr und Besserem mit zahllosen Kaufanreizen gefördert. Werbestrategien zielen darauf ab, Bedürfnisse überhaupt erst entstehen zu lassen. Der gesellschaftliche Mainstream folgt nach wie vor der Logik des Vermehrens, des Anhäufens, des Ausschöpfens. Ständig besorgen wir uns materielle Güter, die wir gar nicht brauchen und auch gar nicht verbrauchen können. Was wir nicht verbrauchen oder nicht mehr brauchen, werfen wir weg. Aufräumen nennen wir das.

„Magic cleaning” …

2013 erschien ein Buch, das schnell zum Bestseller wurde: „Magic cleaning” von Marie Kondo, mit dem Untertitel: „Wie richtiges Aufräumen ihr Leben verändert”. Darin beschreibt die Autorin auch, wie freudvoll es sein kann, das herumliegende „Gerümpel des Alltags” endlich anzupacken und sich all jener Dinge zu entledigen, die man nicht wirklich braucht. „Behalte nur, was Dir Freude macht. Besitze nur, was Du brauchst.”

Das TIME Magazine zählt die Japanerin Marie Kondo zu den 100 einflussreichsten Menschen auf der Welt!

Mit ihrem „Magic cleaning” wirbt Frau Marie Kondo aber auch dafür, im eigenen Leben aufzuräumen, die eigene Seele, das eigene Gewissen zu entrümpeln.

Wenn wir uns einschränken und den Modetrends mit ihren Kaufzwängen trotzen, brauchen wir weniger Abfallcontainer, produzieren wir weniger Müll, werfen wir weniger weg. Mit dem Geld, mit dem wir Dinge produzieren und auch kaufen, die niemand braucht, und mit dem, was wir an Lebensmitteln wegwerfen, könnten wir die Lebensgrundlage für Millionen von Menschen sichern.

Unsere Gesellschaft ist süchtig, unser Leben vielfach maßlos …

Mit einer inneren Haltung des Verzichts oder einer Beschränkung auf das Lebensnotwendige und Lebenswichtige zu leben, bedeutet, gegen den Strom zu schwimmen. Der Hirnforscher und Mediziner Joachim Bauer, bekannt als Sachbuchautor, empfiehlt dem Menschen „Selbststeuerung”. Was ist damit gemeint? Joachim Bauer fordert auf zu mehr Disziplin angesichts der allgegenwärtigen Verlockungen zu mehr Bequemlichkeit, zu mehr Konsum, zu mehr Ablenkung vor allem durch die Medienvielfalt, zu mehr Disziplin beim Einkaufen.

Seit Jahrhunderten ist das Fasten ein Thema – als eine Form der körperlichen Entschlackung, der Erneuerung, der Verjüngung, der Wiedergewinnung neuer Kräfte. Zur Kultur des Fastens gehört auch, dass wir unser Verhältnis zu den Dingen generell hinterfragen: Wer hat da wen im Griff? Das Internet ist etwas sehr Nützliches, um Informationen einzuholen, um Freunde zu kontaktieren, um sich die Zeit zu vertreiben etc. Es kann den Menschen aber auch völlig in Beschlag nehmen und die wertvollste Ressource auffressen, die Zeit.

Berichten aus der Antike zufolge fasteten Denker, um sich ihre Lebensfreude in allen Lebenslagen zu erhalten. Durch den Verzicht wollte man sich dafür rüsten, sein Dasein auch ohne Luxus genießen zu können – für den Fall schlechterer Zeiten.

Das Fasten, der Verzicht worauf auch immer, ist nicht eine weltabgewandte Form von Askese, sondern Ausdruck von Lebensbejahung.

Unser Fasten als Christen …

Für uns hat das Fasten – in welcher Form auch immer – auch eine religiöse Bedeutung. Die christliche Fastenzeit will uns ermutigen, uns wieder einmal auf die „Sinnwaage” des eigenen Lebens zu stellen: Was ist in meinem Leben wirklich sinnvoll? Was hat in meinem Leben Gewicht? Was ist für mich und mein Leben wirklich wichtig und entscheidend? Worauf kommt es in meinem Leben an, damit ich es – wie immer es sich gestalten mag – als sinnvoll erleben darf?

Wir Menschen sind von Gott und auf Gott hin geschaffen …

Zu Gott hin unterwegs, ob uns das bewusst ist oder nicht. Ob wir das akzeptieren oder nicht. Unser menschliches Leben wird einmal einmünden in einen Lebensstrom, den wir Gott nennen. Auch wenn wir uns in den verschiedenen Wohlfühl-Phasen des Lebens einzurichten suchen, als sei das alles. Letztlich werden wir alles, was wir in unserem Leben ansammeln, wieder verlieren. Da hilft auch keine noch so kluge „Lebensversicherung”. Einmal wird uns alles genommen werden, auch das letzte Hemd. In unserem Leben sollten wir versuchen, immer wieder loszulassen, uns selber immer mehr loszulassen auf Gott hin.

Wir Menschen sind gewissermaßen auch für unsere Mitmenschen da …

Niemand lebt für sich allein. Die alten Römer haben – aus einer eher pessimistischen Lebenserfahrung heraus – das Sprichwort geprägt: „Homo homini lupus” „Der Mensch ist dem Menschen ein Wolf”, also ein Feind. Man muss sich voreinander in Acht nehmen. Man darf einander nicht trauen. „Wer sich einen Wolf zum Freund macht, wird letztlich von ihm gefressen” heißt es in einem alten Sprichwort.

Christus will, dass wir einander nicht wie habgierige und böswillige Wölfe begegnen, sondern wie liebende Väter und Mütter, Schwestern und Brüder. Kurzum: Wir sollen aufeinander schauen, aufeinander hören, aufeinander zugehen, einander annehmen auch im jeweiligen Anders-Sein.

Christus will, dass wir einander helfen und dass wir einander zu Diensten sind, dass wir einander Heimat geben.

Wir leben letztlich in einer Welt, die uns vom Schöpfer anvertraut ist …

Wir sollen in Verantwortung vor Gott und unseren Mitmenschen und den Menschen nach uns an dieser Welt bauen, gestalten. Der Lebensraum Welt ist nicht unser Eigentum, mit dem wir nach Lust und Laune „Schindluder” treiben dürfen. Diese Welt, in der wir leben (Wir haben keine andere!) ist uns anvertraut, damit wir sie an die Menschen nach uns weitergeben in guter, ja besserer Qualität.

Die Sinnfrage des menschlichen Lebens wird bestimmt von Gott, dem Schöpfer, von den Menschen, mit denen wir unser Leben und die Güter des Lebens zu teilen haben, und von der Mutter Erde, in deren Schoß wir wieder zurückkehren werden.

Uns allen ist es bestimmt zu sterben …

Niemand weiß im Vorhinein, wann und wo und wie. Wie viele Menschen sterben täglich in den vielen Kriegen, als Opfer von Naturkatastrophen, Bombenanschlägen! Täglich verhungern Menschen und vor allem auch Kinder. Menschen ertrinken im Mittelmeer, weil sie in ihrer Heimat alles verloren haben und nach einer neuen Heimat suchen.

Täglich sterben Menschen in den Alters- und Pflegeheimen, in den Krankenhäusern – aufgrund von Altersschwäche und Siechtum, einer unheilbaren Krankheit, die notgedrungen zum Tode führt. Viel zu oft werden Menschen mitten aus ihrem vollen Leben gerissen und sterben völlig unerwartet. Viel zu oft sterben Menschen im Straßenverkehr, als Opfer von Lawinenabgängen und sonstiger Vorkommnisse.

Und dann? Was wird dann sein? Was wird nach unserem Tode sein?

Ostern gibt uns eine Antwort …

Wie immer auch das Leben verlaufen mag, wie grausam, wie unerträglich, ja sinnlos das Leid im Leben eines Menschen oder auch in der Geschichte der Menschheit sein mag, es ist nie das Letzte. Letztlich wird nicht der Tod, sondern das Leben die Oberhand behalten.

An Ostern feiern wir Jesus, den am Kreuz Erhöhten, mit seinen ausgebreiteten Armen, um gleichsam die ganze Welt zu umarmen. Jesus ist für uns gestorben. Er ist aber nicht im Tod geblieben. Er hat für uns den Tod überwunden. Er ist für uns auferstanden.

Unser neues Kolpingheim …

Eine entbehrungsreiche Zeit des Fastens ist für unsere Kolpingsfamilie Mitte März dieses Jahres zu Ende gegangen. Wir haben wieder ein Daheim in unserem neugestalteten und neu ausgerichteten Kolpinghaus.

Und wir selber? Werden wir die Kraft haben zu einem guten Neubeginn? Oder wird das neue Kolpingheim zu einem Sammelplatz für eine Kleingruppe mit Ablaufdatum, zu einer Art Museum für eine aussterbende Minderheit im Andenken an den großen Welterneuerer Adolph Kolping?

Beim Propheten Ezechiel finde ich die Verheißung (vgl. Ez 37, 12b – 14): Ich hole euch aus euren Gräbern heraus. Ich hauche euch meinen Geist ein, dann werdet ihr lebendig. Ich bringe euch wieder in euer Land.

Ich wünsche uns, dass uns der Geist Gottes herausholen möge aus den Gräbern der Lethargie, des Alltagstrottes, des Alten und Vergangenen, und dass Er uns in ein neues Land bringen werde, in das Land eines guten Neubeginns, in das Land neuer Begeisterung, in das Land innerer Erneuerung und neuen Apostolates, in das Land der Geistigkeit eines Adolph Kolping.

Wird man in der Stadt Schwaz neben dem neugestalteten Kolpinghaus auch uns wahrnehmen, eine von innen her erneuerte Kolpingsfamilie?

In diesem Sinne allen in der Kolpingsfamilie und allen, die uns nahe stehen, ein gesegnetes Osterfest!

Euer Präses P. Wolfhard Würmer ofm