Liebe Schwestern und Brüder,
liebe Freunde der Schwazer Kolpingsfamilie

Bei den anstehenden Neuwahlen in der Schwazer Kolpingsfamlie am 21. September
2017 habe ich nicht mehr als Präses der Kolpingsfamilie kandidiert. Ich bin im 78. Lebensjahr und damit in einem Alter, in dem man ans Aufhören denken muss.
Ich hatte oft ein schlechtes Gewissen, weil ich im Kolping-Leben nicht mehr so voll dabei sein konnte, wie man es von mir als Präses hätte erwarten dürfen. Bei vielen
Veranstaltungen gerade zum Wochenende konnte ich wegen meiner seelsorglichen
Verpflichtungen nicht teilnehmen.
Alle, die sich von mir als Präses mehr erwartet hatten, alle, denen ich in irgendeiner Form nicht gerecht wurde oder gerecht werden konnte, bitte ich um Nachsicht und Vergebung. Sollte ich jemanden beleidigt, gekränkt oder gar verletzt haben, bitte ich um Verzeihung.
Pfarrer Mag. Martin Müller wurde einstimmig zum neuen Präses gewählt. Ich halte Pfarrer Müller – ohne schmeicheln zu wollen – für die Ideallösung, für einen Glücksfall für unsere Kolpingsfamilie, für Gnade. Dir, lieber Martin, ein herzliches Danke und Vergelts Gott für deine Bereitschaft, der Schwazer Kolpingsfamilie ein guter Präses zu sein. Du bist ein erfahrener Seelsorger, Du gehst auf die Menschen zu. Niemand ist dir zu groß und niemand ist dir zu klein. Deine menschliche Ausstrahlung und deine pastorale Kompetenz machen dich liebenswürdig und sympathisch.
Danke und Vergelts Gott …
Ich möchte mich ganz herzlich bedanken für all die Jahre, in denen ich Präses der Schwazer Kolpingsfamilie sein durfte.
Ich habe als Präses schwierige Jahre erleben und durchstehen müssen. Die meisten von euch wissen das. In den Jahren, als der Präses noch für das Wirtschaftliche letztverantwortlich war, haben mich die Sorgen um das finanzielle Überleben fast erdrückt. Wie oft habe ich da den heiligen Josef angefleht und um seine Hilfe gebeten. Immer wieder wurde geholfen durch die Stadtgemeinde Schwaz, die für unsere Anliegen immer ein offenes Ohr hatte, durch das Land Tirol, durch die Kolpingzentrale in Wien. Ich hatte starke und einflussreiche Persönlichkeiten an meiner Seite, die immer wieder geholfen und oft und oft Möglichkeiten erschlossen haben, die ich sonst nicht gehabt hätte. Ich denke da an unseren Bürgermeister Dr. Hans Lintner und auch an den verstorbenen Bürgermeister OSR Hubert Danzl, ich denke an Ing. Berghofer und an das ADLER-Werk Lackfabrik. Ich denke auch an Ing. Hansjörg Geiger mit GEIGER Moden und Strickwaren. Für alle Hilfe, die mir zuteil geworden ist, werde ich immer dankbar bleiben.
Ich denke an die Jahre, da der Großteil der Schwazer Bälle im Kolpingsaal abgehalten wurde, und an die vielen freiwilligen Helferinnen und Helfer, die Tag für Tag dem Gastgewerbe zur Verfügung gestanden sind. Ich denke da in großer Dankbarkeit an Brunner Herbert mit seinem verlässlichen Team.
Es wären noch viele Namen zu nennen von Menschen, die gerade in den schwierigen Jahren im Vorstand gearbeitet haben, im Finanzausschuss, in der Betreuung des Kolpinghauses, in dem so wichtigen Theaterbereich usw. usf.
Allen ein herzliches Vergelts Gott, manchen übers Grab hinaus.
Ich habe in der Kolpingsfamilie auch viel Schönes erlebt und viel Gutes erfahren. Ich bedanke mich für die vielen Freundschaften. Ich bedanke mich für viele Stunden, für viele schöne Erlebnisse, für prägende Ereignisse. Ich denke an unsere Assisi-Reisen, an schöne Gottesdienste, an die tollen Bunten Abende, an faszinierende Theater-Aufführungen, an Monatsversammlungen, an Advents- und Weihnachtsfeiern etc. etc.
Die Geistigkeit von Adolph Kolping …
hat mich geprägt. Sie hat an Aktualität nichts eingebüßt, im Gegenteil: Wir brauchen gerade heute, in unserer Gesellschaft, das Denken, die Mentalität, das Gefühl, für andere und für Schwächere und für solche, die sich selber nicht helfen können, sorgen zu müssen, und die Vernetzung von Gläubigkeit und gesellschaftspolitischem Engagement.
Wir leben nicht nur in einem Rechtsstaat, in dem jeder bekommen soll, was rechtens ist. Wir leben auch in einem Sozialstaat, in dem auch die menschenwürdig leben dürfen, die von Rechts wegen keinen Zugang zu Arbeit und zu den uns selbstverständlichen Sozialleistungen haben.
Wir leben heute in einer Zeit, die rechnet und in der alles durchgerechnet ist. Alles im Leben muss sich rechnen, alles muss sich lohnen. Alles wird aufgerechnet und vergolten. Für alles muss man bezahlen. Wo bleibt da noch ein wenig Spielraum für das Unberechenbare, das Unauslotbare, das Unfassbare, das Geheimnis.
Da treten dann Dinge in unser Leben, die nicht programmiert und auch gar nicht programmierbar sind: Der Verlust eines geliebten Menschen, eine schwere Krankheit, ein Verkehrsunfall, eine Naturkatastrophe. Was dann?
Bewahren wir uns den Glauben an Gott, an Jesus Christus und seine Botschaft, den Glauben an Gottes Vorsehung. In Gläubigkeit und aus einer Verwurzelung im Glauben schafft man vieles, was man sonst nicht schaffen würde. Glaubt mir das!
Wir leben heute in einer gnadenlosen Zeit. Jeder pocht auf sein eigenes Recht – vielleicht auch aus Angst, selber zu kurz zu kommen. Alles muss rechtens sein.
Recht muss Recht bleiben. Die Gesellschaft ist kälter geworden. Das zeigt sich im Umgang mit Menschen, deren Leben in Trümmer gegangen ist, oder auch mit Flüchtlingen und Asylanten.
Wir bauen Zäune und grenzen aus. Sonst können wir uns nicht sicher fühlen – sagt man uns. Alles muss rechtens sein. Recht muss Recht bleiben.
Jesus setzt das Recht nicht außer Kraft. Aber es gilt – gerade in verfahrenen Situationen – die Regel Gnade vor Recht”, ob in der Heilung eines Kranken am Sabbat, oder im Umgang mit einer Ehebrecherin, die man ihm vorführt, oder auch in der Geschichte vom verlorenen Sohn, oder letztlich im verzeihenden Wort an den Mitgekreuzigten auf Golgotha.
Jesus lebte auf der Seite der Armen und Schwachen, der Kleinen und Notleidenden, auf der Seite der sündig und schuldig Gewordenen. Er gab denen, die niemand mehr sehen wollte, neues Ansehen.
In einer Welt, in der noch immer nach dem Motto „Aug um Aug und Zahn um Zahn” gedacht, gelebt und gehandelt wird, predigt Jesus Barmherzigkeit, eine neue Menschlichkeit.
Adolph Kolping wollte den Menschen ein familiäres Daheim geben – in einem guten familiären Miteinander, in einem menschlichen Miteinander.
Adolph Kolping wollte den Menschen ein christliches Daheim geben – in einem religiösen Leben. Das tägliche Beten sollte zur Gewohnheit werden. Ebenso die Teilnahme an einem Gottesdienst am Sonntag. Wir gehören zu einer Pfarrgemeinde, die uns braucht, die uns Gemeinschaft und ein Miteinander erleben lässt, und die uns in unserem Alltag und in den entscheidenden Situationen unseres Lebens begleiten will.
Ich sehe in Adolph Kolping – je mehr ich mich mit ihm befasse – den Anwalt einer neuen Menschlichkeit im Umgang miteinander und einer neuen Christlichkeit im Sinne Jesu.
Treu Kolping …
Unser „Treu Kolping” hat mich immer wieder beschäftigt. Die Treue gehört zu den wichtigsten Tugenden des menschlichen Zusammenlebens. Es ist heute leider nicht mehr selbstverständlich, zu einer Sache zu stehen, zu einem Menschen zu stehen, zu einer Geistigkeit zu stehen.
Ich bitte euch, der Treue im Leben einen neuen Stellenwert zu geben und Treue wieder attraktiv erscheinen zu lassen.

Mit einem herzlichen „Treu Kolping”
euer P. Wolfhard Würmer ofm